Wichtige GDPR-Aspekte bei der Wiederverwendung von Patientendaten für KI-Forschung

Wiederverwendung von Patientendaten in der wissenschaftlichen Forschung zur Schulung von KI-Systemen – wichtige Überlegungen zur DSGVO

In der Entdeckungsphase der wissenschaftlichen Forschung können KI-Systeme eingesetzt werden, um Patente zu überprüfen und potenzielle neue Medikamente für klinische Studien zu identifizieren. Wenn eine Organisation ihr eigenes KI-System intern entwickelt, ohne Patientendaten zu verwenden, sollte das KI-Gesetz nicht anwendbar sein, da es unter die Forschungsausnahme fällt. Ähnlich ist die DSGVO in solchen Fällen nicht relevant, da keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

Wenn jedoch Patientendaten verwendet werden, um ein KI-System zu trainieren, wird die DSGVO relevant. Patientendaten können aus verschiedenen Quellen stammen, einschließlich Gesundheitsakten, die von Institutionen wie dem NHS gesammelt werden, freiwilligen Registern, in denen Patienten der Weitergabe ihrer Daten für Forschungszwecke zustimmen, oder Daten, die aus früheren klinischen Studien gewonnen wurden. Diese Datensätze wurden ursprünglich für spezifische Zwecke gesammelt, was eine Bewertung erfordert, um zu bestimmen, ob sie für das Training von KI-Modellen wiederverwendet werden können.

Bewertung der Kompatibilität für die sekundäre Nutzung von Patientendaten

Die DSGVO umfasst das Prinzip der Zweckbindung, das vorschreibt, dass personenbezogene Daten für einen spezifischen, expliziten und rechtmäßigen Zweck gesammelt werden müssen und nicht weiterverarbeitet werden dürfen, wenn dies mit diesem Zweck unvereinbar ist. Wenn die Daten für einen anderen Zweck wiederverwendet werden sollen, ist eine Kompatibilitätsbewertung erforderlich. Mehrere Faktoren beeinflussen diese Bewertung:

  • Verbindung zwischen den ursprünglichen und sekundären Zwecken: Je enger die Verbindung, desto wahrscheinlicher wird sie als kompatibel angesehen.
  • Der Kontext und die angemessenen Erwartungen der betroffenen Personen: Wenn die betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Erhebung über mögliche sekundäre Verwendungen informiert wurden, ist eine Wiederverwendung eher gerechtfertigt.
  • Art der Daten: Je sensibler die personenbezogenen Daten (z. B. Gesundheitsdaten), desto enger wird der Rahmen für die Kompatibilität sein.
  • Folgen für die betroffenen Personen: Sowohl positive als auch negative Folgen müssen bewertet werden.
  • Existenz angemessener Schutzmaßnahmen: Maßnahmen wie Verschlüsselung, Pseudonymisierung, Transparenz und Opt-out-Optionen sollten in Betracht gezogen werden.

Das Prinzip der Zweckbindung zielt darauf ab, die Kontrolle der Individuen über ihre Daten aufrechtzuerhalten und eine unbefugte Wiederverwendung zu verhindern. Wenn die sekundäre Nutzung mit den angemessenen Erwartungen übereinstimmt, wird sie eher als kompatibel angesehen. Wissenschaftliche Forschung wird im Allgemeinen als kompatible sekundäre Nutzung betrachtet, vorausgesetzt, dass angemessene Schutzmaßnahmen vorhanden sind.

Wissenschaftliche Forschung und DSGVO-Konformität

Die DSGVO definiert „wissenschaftliche Forschung“ nicht ausdrücklich, aber Erwägungsgrund 159 legt eine breite Auslegung nahe, die technologische Entwicklungen, grundlegende und angewandte Forschung sowie privat oder öffentlich finanzierte Studien abdeckt. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) rät, dass wissenschaftliche Forschung etablierten ethischen und methodologischen Standards entsprechen muss. Sowohl die Entdeckungsphase als auch die klinische Forschung folgen typischerweise strengen Methoden oder Protokollen, sodass sie als wissenschaftliche Forschung qualifizieren sollten.

Obwohl der EDPB geplant hatte, 2021 Leitlinien zur Definition wissenschaftlicher Forschung und zu den angemessenen Schutzmaßnahmen herauszugeben, ist dies bislang nicht geschehen. Angesichts dieser Unsicherheit ist es ratsam, nicht automatisch von einer Kompatibilität auszugehen, sondern eine gründliche Kompatibilitätsbewertung durchzuführen.

Ergebnisse der Kompatibilitätsbewertung

Wenn die sekundäre Nutzung mit der ursprünglichen Erhebung unvereinbar ist, können die Daten nicht für den sekundären Zweck wiederverwendet werden, es sei denn, eine solche Verarbeitung kann auf der Einwilligung der betroffenen Person oder einem Rechtsakt der Union oder des Mitgliedstaats, der wichtige Ziele von allgemeinem Interesse (z. B. öffentliche Gesundheit) schützt, basieren.

Wenn die sekundäre Nutzung mit der ursprünglichen Erhebung kompatibel ist, kann man sich auf die rechtliche Grundlage stützen, die für die ursprüngliche Erhebung der Daten angeführt wurde. Allerdings müssen alle anderen Datenschutzprinzipien weiterhin für die weitere Verarbeitung respektiert werden, einschließlich der Information der betroffenen Personen über die weitere Verarbeitung und ihre Rechte sowie der Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung, falls erforderlich. Die Kompatibilitätsbewertung und die getroffenen Maßnahmen müssen dokumentiert werden, um dem Rechenschaftsprinzip zu genügen.

Ausnahmen gemäß Artikel 9 der DSGVO für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten

Selbst wenn eine sekundäre Nutzung als kompatibel angesehen wird, ist eine zusätzliche Ausnahme gemäß Artikel 9 der DSGVO für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erforderlich. Mögliche Ausnahmen umfassen:

  • Explizite Einwilligung (Art. 9(2)(a)).
  • Gründe des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit basierend auf dem Recht der Union oder des Mitgliedstaats (Art. 9(2)(i)).
  • Wissenschaftliche Forschung basierend auf dem Recht der Union oder des Mitgliedstaats und der Annahme angemessener Schutzmaßnahmen (Art. 9(2)(j)).

Fazit

Die Verwendung von Patientendaten für die Entwicklung oder Schulung von KI-Systemen, die in der wissenschaftlichen Forschung eingesetzt werden, erfordert sorgfältige regulatorische Überlegungen. Wenn Patientendaten beteiligt sind, wird die Einhaltung der DSGVO entscheidend, und Organisationen müssen die Kompatibilität der sekundären Datennutzung neben den anderen Prinzipien und Verpflichtungen der DSGVO bewerten.

More Insights

USA bricht mit UN über globale KI-Regulierung

Die US-Beamten lehnten einen Vorschlag zur Schaffung eines globalen KI-Governance-Rahmens bei der dieswöchigen Generalversammlung der Vereinten Nationen ab, obwohl der Plan von vielen Ländern...

Agentic AI: Risiken und Governance für Unternehmen

In der schnelllebigen Welt der künstlichen Intelligenz wenden sich Unternehmen zunehmend agentischen KI-Systemen zu, die Entscheidungen treffen und Aufgaben autonom ausführen können. Diese...

Die wachsende Rolle von KI als Meinungswächter und die alarmierenden versteckten Vorurteile

Die wachsende Rolle von KI als Meinungsgatekeeper wirft Bedenken hinsichtlich versteckter Vorurteile auf. Eine neue Studie warnt davor, dass subtile Vorurteile in KI-Systemen den öffentlichen Diskurs...

Regulierungsdruck auf KI: Eine neue Ära der Verantwortung

Die aufkommende Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) befindet sich an einem kritischen Punkt, da eine Welle von Regulierungsmaßnahmen und rechtlichen Präzedenzfällen einen globalen Wandel hin zu mehr...

Die Auswahl der richtigen KI-Governance-Tools

Mit der beschleunigten Einführung von generativer KI steigen auch die Risiken. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, haben wir mit Tokio Marine Holdings und Tokio Marine & Nichido Systems...

UN fördert globale Standards für sichere KI

Die Vereinten Nationen setzen sich dafür ein, einen globalen Konsens über „sichere, geschützte und vertrauenswürdige“ KI zu schaffen, indem sie Richtlinien und technische Standards fördern. Ein neuer...

Die Algorithmenregierung: Wie Datenwissenschaftler die Politik gestalten

In einer fesselnden Diskussion in Singapur sprachen Thomas Roehm von SAS und Frankie Phua von der United Overseas Bank über die Herausforderungen der KI-Regulierung. Ihr Gespräch beleuchtete das...

Vorbereitung von KMUs auf die KI-Regulierungen der EU

Klein- und Mittelunternehmen (KMU) stehen vor erheblichen Herausforderungen durch die KI-Verordnung der EU, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung strenger Vorschriften und potenziell hohe...