Menschliche Rechte sind universell, nicht optional: Der EU AI Act und der fehlerhafte Verhaltenskodex
Der EU AI Act, der am 1. August 2024 in Kraft trat, initiierte einen ko-regulatorischen Prozess mit einer Arbeitsgruppe von fast 1.000 Interessengruppen aus AI-Unternehmen, Akademia und Organisationen der Zivilgesellschaft. Diese Arbeitsgruppe befindet sich nun in den letzten Phasen der Ausarbeitung des Allgemeinen Verhaltenskodex für Künstliche Intelligenz, der als detailliertes Handbuch dient, wie AI-Entwickler die wichtigsten Bestimmungen des AI Acts einhalten können, die Regeln für Modelle festlegen.
Entwickler, die dem Handbuch folgen, genießen eine „Vermutung der Konformität“ mit dem Gesetz, obwohl sie auch wählen können, auf ihre eigene Weise konform zu sein.
Die Bedenken
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe äußern gravierende Bedenken, dass der vorläufige Entwurf des Verhaltenskodex die Menschenrechte nicht ausreichend schützt. Dieser Entwurf stützt sich auf fehlerhafte Logik, die die Möglichkeiten zur Minderung von Menschenrechtsrisiken durch AI-Modelle erheblich einschränkt.
Der AI Act und folglich der Kodex unterscheiden zwischen „Allgemein anwendbaren AI-Modellen“ und „Allgemein anwendbaren AI-Modellen mit systemischen Risiken„. Modelle, die in die letztere Kategorie fallen — basierend auf einem von dem AI Act festgelegten Trainingsrechenleistungsgrad oder einer Einstufung durch die Kommission — unterliegen zusätzlichen Verpflichtungen, einschließlich der Durchführung von Risikobewertungen und der Minderung identifizierter Risiken.
Änderungen und Risiken
Der Kodex enthielt ursprünglich einen zweistufigen Ansatz, der zwischen Risikokategorien unterschied. Im aktuellen Entwurf wurde die zweite Risikokategorie jedoch von „zusätzlich“ auf „optional“ geändert. Die Teilnehmer einer Workshop-Diskussion beschrieben die Notwendigkeit, Anforderungen an AI-Unternehmen zu verringern, um sicherzustellen, dass Europa nicht hinter AI-Innovationen zurückbleibt.
Die Liste der optionalen Risiken ist erschreckend umfassend:
- Risiken für die öffentliche Gesundheit, Sicherheit oder öffentliche Ordnung.
- Risiken für grundlegende Rechte, wie das Risiko für die Meinungsfreiheit und Privatsphäre.
- Risiken für die Gesellschaft, wie das Risiko für die Umwelt und demokratische Prozesse.
Besonders bemerkenswert ist, dass Diskriminierung von der Liste der verpflichtenden Risiken auf die optionale Liste verschoben wurde. Der aktuelle Entwurf sieht nur vier Risiken vor, die einer verpflichtenden Bewertung unterliegen.
Internationale Ansätze
Es ist wichtig zu vermerken, dass der aktuelle Ansatz des Kodex nicht nur den AI Act falsch interpretiert, sondern auch bestehenden internationalen Bemühungen und Rahmenwerken zur AI-Sicherheit widerspricht. Der Hiroshima-Kodex für fortschrittliche AI-Systeme erfordert ausdrücklich, dass Anbieter Risiken für die Privatsphäre sowie schädliche Vorurteile und Diskriminierungsrisiken bewerten und mindern.
Fazit
Der aktuelle Entwurf des Verhaltenskodex stellt einen Rückschritt dar, da er einen schwachen und selektiven Ansatz zum Schutz der Menschenrechte verfolgt. Die Verfasser des Verhaltenskodex sollten entschlossene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Entwickler von allgemein anwendbaren AI-Modellen die Risiken für die Menschenrechte, die ihre Modelle darstellen, berücksichtigen.